Vom Schrott auf die Straße

Der Sammler Ronny Ulbrich mit drei seiner MZ: Einer ETZ 250 von 1987, einer ES 175/1 und TS 250 von 1974 / Foto: Stadtspiegel Gardelegen

Viel Leidenschaft steckt seinem Hobby. Denn die meisten MZ und Simsons sind in einem wirklich schlechten, oft schrottreifen Zustand, wenn Ronny Ulbrich sie erwirbt. Mit viel Zeit und Geduld baut er die Maschinen auf und bringt sie wieder auf die Straße. Der Stadtspiegel hat mit ihm gesprochen und gefragt, woher seine Leidenschaft kommt und was ihn an den Zweitaktern fasziniert.

Auf jeden Fall wurde seine Liebe für die motorisierten Zweiräder schon recht früh geweckt: „Eine meine frühesten Erinnerungen sind die Fahrten zur Oma nach Möhringen. Wir saßen immer zu Dritt auf der Schwalbe – mein Vater fuhr, mein Bruder saß auf dem Sozius und ich vorn auf dem Kindersitz“, erzählt Ronny Ulbrich. „Und als später die russische Armee über die Heerstraße in Möhringen ins Manöver fuhr, waren darunter auch Motorräder mit Beiwagen. Wenn sie die angeschmissen haben, vibrierten die Scheiben der Bäckerei. Ich war extrem beeindruckt und dachte mir: „Ronny, wenne mal groß bist, willste sowas auch mal haben.“

Mittlerweile hat sich der 41-Jährige, der in der Börde lebt und in Gardelegen arbeitet, den Traum vom russischen Beiwagen-Motorrad erfüllt. Vor zwei Jahren kaufte er eine Dneper K-750 und arbeitete sie auf.  In der Schulzeit fuhr er nicht nur Simsons, er reparierte sie auch. In einer improvisierten Werkstatt-Garage brachte er die Zweitakter gemeinsam mit seinem Bruder  wieder zum Laufen und verdiente sich so das Taschengeld dazu. Irgendwoher mußte das Geld für den Sprit ja kommen.

In seiner Garage repariert Ronny Ulbrich seine Maschinen. 100 Prozentige Originaltreue ist ihm dabei nicht wichtig. Die Erzsatzteile für MZ und Simsons findet er im Internet und bei spezialisierten Händlern. / Foto: Stadtspiegel Gardelegen

Später folgte in Sachen Hobby eine lange Durststrecke: Ausbildung, Job, Heirat, Kinder, da blieb kaum Zeit für seine zeitintensive Leidenschaft. Nach der Wende wollte die Zweitakter keiner mehr haben, mit den Jahren wurden Simsons und MZs zu Kultmaschinen.

Eine Initialzündung sein Hobby wieder aufzunehmen, war der Tod seines Vaters vor einigen Jahren. „Mein Vater fuhr früher viel  MZs und Simsons. Er liebte es. Er sagte immer: „Wenn ich mal Rentner bin, dann mache ich das wieder.“ Aber dazu kam es nicht. Das war schade. Für mich war das der Punkt an dem ich umdachte. Wenn ich alt bin, dann habe ich vielleicht gar nicht mehr die Möglichkeiten oder ich kann krankheitsbedingt nicht mehr Motorrad fahren oder irgendeiner anderen Leidenschaft nachgehen.“

2014 erwarb er sein erstes Restaurationsobjekt, eine Simson Star. Die hatte ihre besten Jahre in einer Scheune plattgestanden. Und die zweite Maschine folgte kurz darauf, eine Schwalbe. Die erste MZ für seine Sammlung entdeckte er 2017 zufällig. „Da ist der MZ-Funke wieder richtig übergesprungen“, erklärt er lächelnd. Die Zweitakter aus Zschopau haben es ihm angetan. „Die Technik, der Klang und der Geruch – mich begeistert einfach alles an den Motorrädern“, meint er und weiter: „Wenn ich meine ETZ 250  anschmeisse – dieser Klang ist einmalig und geht unter die Haut.“

Mittlerweile besitzt er fünf MZs, vier davon angemeldet und fahrbereit. Zum Entschleunigen nutzt er eine „ganz alte gemächliche“ von 1965, für ´s Gelände eine umgebaute MZ TS 250 und soll´s mal etwas schneller gehen, wird die MZ ETZ 250 rausgeholt. Zudem hat der Oltimer-Liebhaber vier Simsons in seinem Bestand: eine SR 1, eine KR 50, einen Star und eine Schwalbe. Sein ältestes Fahrzeug in seiner Zweitakter- Sammlung ist ein „Hühnerschreck“ von 1940.

Die meisten Fahrzeuge kauft er praktisch im Schrottzustand. Beim Wiederaufbau unterstützt ihn oft sein Kumpel Marian. „Wir restaurieren sie so, wie es uns gefällt. Ich hege keinen Anspruch auf 100 prozentige Originaltreue. Früher hat man auch oft mit dem gearbeitet, was gerade da war.“ Der Vorteil seines Hobbys liegt für ihn auf der Hand: „Es ist bezahlbar. Jedes Ersatzteil, was man braucht, kann man noch kaufen. Das wird auch noch so bleiben“, ist er sich sicher. Die Ersatzteile findet er im Internet, auf eBay und bei spezialisierten Händlern. Und er ist immer auf der Suche nach neuen Objekten, die er wieder „auf die Straße“ bringen kann. Ob MZ oder Simson, Hauptsache Zweitakter.

Der Bericht "Vom Schrott auf die Straße" erschien im Stadtspiegel Gardelegen / Ausgabe 0920